Bei diesem Thema müssen unsere Schulen nachsitzen

Bei diesem Thema müssen unsere Schulen nachsitzen

25. Februar 2022

Felix setzt sich dafür ein, dass seine Schule zur „islamfreundlichen Schule“ wird. Er findet, in einer sich diversifizierenden Gesellschaft müssen die Bedürfnisse aller – auch in den Schulen – berücksichtigt werden.

Fühlst du dich auf der Schule wohl?

Als Schülersprecher einer Gesamtschule habe ich diese Frage meinen muslimischen Mitschüler*innen gestellt und musste überraschend feststellen, dass ich persönlich die Situationen an unserer Schule für muslimische Schüler*innen besser eingeschätzt hatte. Und schon hier zeigt sich das erste Problem:
Nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in den Schulen bestehen die Verantwortlichen – darunter zähle auch ich als Schülersprecher – aus einer homogenen Gruppe, die es oft versäumt ihrer Hausaufgaben zu machen. Themen wie Diversität, Umgang mit Rassismus und Vorurteilen werden häufig nicht behandelt, weil sie die Entscheidungsträger*innen selbst nicht betreffen. Und das ist ein strukturelles Problem.

Demnach bleiben oftmals nur die Initiativen aus der Schüler*innenschaft, welche in einem bürokratischen System geringe Überlebenschancen haben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass schulinterne Prozesse und Strukturen noch aus dem 20. Jahrhundert stammen, in dem die deutsche Gesellschaft demographisch völlig anders aussah. Unsere Gesellschaft heute ist geprägt von Migration und Vielfalt. Das hat auch uns verändert. Wir sind toleranter geworden, oder sollten es zumindest sein und deswegen sollten Prozesse und Strukturen innerhalb von Institutionen hinterfragt werden. Gegen Ende des Jahres 2021 starteten meine Mitschülerin Ranya und ich deswegen eine Initiative, welche das Ziel verfolgte, eine islamfreundliche Schule zu werden.

Themen wie Diversität, Umgang mit Rassismus und Vorurteilen werden häufig nicht behandelt, weil sie die Entscheidungsträger*innen selbst nicht betreffen
Felix

Und nein, hier werde Muslim*innen nicht bevorzugt, wie einige meinen könnten, sondern gehört als Anliegen genauso zu unserer Schule dazu, wie die Verbessrung des Mensa Angebotes oder die Verschönerung des Schulhofes.

Der Weg zum Konzept „islamfreundliche Schule“

Ich gebe es zu, ich hatte selbst Vorurteile. Hatte den Islam bis dato immer eher mit Negativem assoziiert. Um mir ein eigenes Bild zu machen, besuchte ich eine Moschee in meiner Gegend. Dort lernte ich Herrn Arslan (den Dialogbeauftragte der Moschee) kennen und ab diesem Tag an wurde mir bewusst, dass ich eine falsche Vorstellung von der muslimischen Religion und dessen Ausübung hatte. Und ich machte es mir zur Aufgabe, diese stereotypen Bilder in meinem Kopf durch neue zu ersetzen.
Zurück im Klassenzimmer organisierten wir ein Brainstorming-Event mit dem Titel „Islamfreundliche Schule MLKG “. Eingeladen war jede und jeder aus der Schüler*innenschaft, die das Thema vorantreiben wollten. Es kamen mehr als 30 Schüler*innen, darunter auch Mitschüler*innen, die nicht viel über den Islam wissen, so wie ich. Nach wenigen Minuten entstand eine Meldekette aus Ideen, Vorschlägen, Befürchtungen, aber auch der harten Analyse des Ist-Zustandes.
Über diese ersten offiziellen Terminen hinaus, suchte ich eine Person, die mir bei meinem Vorhaben beratend zur Seite stand und begegnete Yasmin, welche mir meine Fragen beantworten konnte. Denn wenn wir was verändern möchten, dann sollten wir auch wissen von was wir sprechen.
Am Anfang steht immer der Dialog – ob ein Austausch mit dem*r Islamlehrher*in an euer Schule, oder in Form eines Events. Das Ziel sollte sein, die Personen, welche an diesem Thema mitarbeiten wollen, an einen Ort zu versammeln und alle zum Sprechen zu bewegen. Nur so kann garantiert werden, dass jede*r aus der Schulfamilie an der Vision mitarbeitet will.
Auch spielt die richtige Dosierung der möglicherweise revolutionären Ansätze bei der Präsentation vor der Schulleitung eine Rolle. Machen wir uns nichts vor, das Thema kann auf Dritte emotional wirken, deswegen ist die wichtigste Aufgabe ein nicht emotionales Umfeld zu schaffen, in dem klar und offen kommuniziert wird, damit die gegenüberliegende Seite die Ideen nicht falsch versteht.

Das Konzept

Nach dem oben genannten ersten gemeinsamen Termin, definierten wir, die Schüler*innenvertretung, unsere drei Kernziele:
1) Im jedem Jahrgang soll es die Möglichkeit geben, als Fach islamische Religionslehre belegen zu können. Auch in der Oberstufe.
2) Die Einrichtung eines Gebetsraumes bzw. eines Raumes der Stille, nach dem Vorbild einiger deutscher Universitäten.

Deutschland ist nicht nur Brezel und Bier und Türkei nicht nur Shisha und Sucuk

3) Ein Tag des Zusammenkommens, soll den Austausch untereinander fördern, um seine Mitschüler*innen und ihre Kulturen besser kennenzulernen, denn Deutschland ist nicht nur Brezel und Bier und Türkei nicht nur Shisha und Sucuk.
Doch eine Forderung wiederholte sich und lud mich zum Nachdenken ein: Hört auf mit den Vorurteilen!

Wir alle leben außerhalb der Schulzeit in unsere sozialen Bubble, die Schule ist ein Ort – gerade die Gesamtschulen – wo verschiedene Menschenbilder aufeinander treffen, wie in keinem anderen. Nutzen wir das und sprechen wir im Deutsch-, Religions-, Geschichte-, Sportunterricht und jedem anderem Fach über Vorurteile, Rassismus und Diskriminierung. Verankern wir diese Themen in den internen Lehrplänen und machen dies zu einer strategischen Querschnittsaufgabe.

#begegnung #solidarität #zugehörigkeit

  • von Felix Klemm
  • am 25. Februar 2022

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